DAS ENDE DER "HINDENBURG"

Das Luftschiff "Hindenburg" war Meisterwerk der Ingenieurskunst, Propagandamaschine der Nazis und Luxusliner für Reiche. Am 6. Mai 1937 geschah das Undenkbare: Der Zeppelin, das größte Luftfahrzeug der Menschheitsgeschichte, verbrannte in einem gigantischen Feuerball.

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Hamburg - Das Ende des Himmelsgiganten dauert nur wenige Augenblicke. Es ist Donnerstag, der 6. Mai 1937, 18.25 Uhr. Das Luftschiff LZ 129 "Hindenburg" ist nach einer Atlantiküberquerung im Landeanflug auf Lakehurst nahe New York. Plötzlich geht ein Ruck durch das Schiff, lautlos blecken Flammen aus dem Inneren, dann verbrennt der Zeppelin in einem gigantischen Feuerball. 32 Sekunden später liegt der Stolz einer ganzen Nation am Boden. Das einst größte steuerbare Flugobjekt der Welt ist nur noch ein Haufen Asche und Aluminiumschrott. In dem Inferno sterben 35 der 97 Menschen an Bord, am Boden wird ein Mitarbeiter der Landecrew von herabfallenden Trümmern erschlagen.

Das Ende der "Hindenburg" markiert zugleich den Untergang einer Technologie, die unzählige Deutsche einst innig liebten. Die Liebesgeschichte beginnt 1908 mit einem Desaster: Im August dieses Jahres ist Luftschiff-Pionier Ferdinand Graf von Zeppelin mit seinem vierten Luftschiff LZ 4 wegen eines Motorschadens auf einem Feld bei Echterdingen nahe Stuttgart notgelandet. Der Wind reißt das Schiff los, und es geht vor Tausenden entsetzten Zuschauern in Flammen auf.

Zunächst sieht alles danach aus, als sei die deutsche Luftschiffindustrie am Ende. Doch es kommt anders: Kinder, Hausfrauen, Arbeiter, Banker begeistern sich massenhaft für die Zeppeline - und greifen in Sparschweine und Geldbörsen. Sechs Millionen Mark kommen so zusammen. Über Nacht. Die Zeppeline werden zur Herzensangelegenheit.
Im Laufe der Jahre funktioniert diese Finanzierungsmethode für das Projekt Zeppelin öfter. Die von Spendengeldern erbaute "Graf Zeppelin" avanciert nach ihrem Jungfernflug 1928 zum Liebling der Massen. Nach 1933 machen sich die Nationalsozialisten das Image der Luftschiffe zunutze - zu Propagandazwecken. Mit der "Hindenburg", die 1936 ihren Jungfernflug absolviert, hat Propagandaminister Joseph Goebbels Großes vor. Die LZ 129 ist ein Star, mit 245 Metern nur 24 Meter kürzer als die "Titanic", mit 200.000 Kubikmetern Volumen das erste Luftschiff, das für Transatlantikflüge taugt. Am Heck prangen Hakenkreuze.

Im März 1936 hat die "Hindenburg" ihren ersten großen Auftritt - im Wahlkampf für die Reichstagswahlen. Mit dem Schwesterschiff "Graf Zeppelin" schwebt der Gigant über Deutschland, vom damaligen Königsberg (heute Kaliningrad) bis Garmisch-Partenkirchen. Aus der Höhe regnen Wimpel und Flugblätter auf die Schaulustigen, aus Lautsprechern dröhnt der Aufruf: "Tut eure Pflicht, wählt den Führer!" Bei den Wahlen am 29. März 1936 bekommt die Einheitswahlliste der NSDAP laut offiziellem Ergebnis 99 Prozent der Stimmen.

Zum Auftakt der Olympischen Spiele, einem gewaltigen Propagandaspektakel am 1. August 1936, kommt die "Hindenburg" nach Berlin. Über dem Stadion verbeugt sich das Luftschiff vor Zehntausenden Zuschauern und der versammelten NS-Führungsriege. Und das funktionierte so: "Das Schiff dippte mit der Bugnase mehrmals nach unten", erinnert sich Eduard Boëtius, einstiger Offizier an Bord der "Hindenburg", im Gespräch mit dem SPIEGEL im Jahr 2000. "Dazu wurde ein Teil der Mannschaft in den mittleren Laufgang beordert und musste auf ein Kommando nach vorne und wieder zurücklaufen." Die Massen sind begeistert.
An einem Montagabend, wenige Monate und mehr als 30 Atlantiküberquerungen später, bricht LZ 129 zu einem inzwischen zur Routine gewordenen Flug von Frankfurt nach New York auf. Es wird die letzte Fahrt der "Hindenburg". An Bord sind 61 Besatzungsmitglieder und 36 Fluggäste. Das Luftschiff ist bei weitem nicht ausgebucht, die Crew wesentlich stärker besetzt als üblich. Um 20.16 Uhr am 3. Mai 1937 steigt der Zeppelin in den Himmel. Die Passagiere bekommen für 400 Dollar einigen Luxus geboten: Schlafkabinen mit fließend warmem Wasser, Speisesaal, Aussichtsterrassen, Menüs à la carte, Live-Pianomusik mit einem Musiker am Aluminiumflügel und ein Rauchsalon. Die einzigen Streichhölzer an Bord hält ein Stewart unter Verschluss - schließlich ist das Luftschiff mit leicht entzündlichem Wasserstoff gefüllt.

Der Gegenwind über dem Atlantik hält das Luftschiff auf. Fast zehn Stunden beträgt die Verspätung, normalerweise ist die Hindenburg auf der Strecke nach New York zwischen 65 und 70 Stunden unterwegs. Am 6. Mai um 15 Uhr kommt Manhattan in Sicht. Trotzdem dreht der Zeppelin die "übliche Ehrenschleife", berichtet Offizier Boëtius. "Die Passagiere genossen bei offenen Fenstern das Schiffssirenen- und Hupkonzert der begeisterten New Yorker." Ein Stunde später nähert sich das Luftschiff dem Landeplatz in Lakehurst. Doch zum Erstaunen der Crew verweigert Charles Rosendahl, der Kommandeur der US-Basis am Boden, die Landeerlaubnis. Ein Gewitter ziehe auf, lautet die Begründung. Kapitän Max Pruss gibt den Befehl, dem Unwetter aufzuweichen. Die "Hindenburg" schwebt zurück, an der Küste entlang, Richtung New York. Der erfahrene Navigator Boëtius übernimmt das Höhenruder. "Als wir von Rosendahl per Funk hörten, dass sich das Wetter über Lakehurst zu entspannen begann, kehrten wir zurück und unterfuhren die Gewitterfront", erinnert sich Boëtius. "Ich spürte die Turbulenzen deutlich in den Beinen. Auch die heftigen Regenschauer waren nicht zu überhören." Doch wie vorhergesagt bessert sich das Wetter, der Regen hört auf.

Gegen 19 Uhr erreicht die "Hindenburg" Lakehurst, zum zweiten Mal an diesem Tag. Um 19.21 Uhr ist das Luftschiff noch etwa 80 Meter vom Boden entfernt. Die Bugtaue, mit denen das Schiff an den Landemast herangeführt werden soll, fallen in die Tiefe. Vier Minuten darauf spürt Eduard Boëtius, der sich noch immer in der Steuergondel befindet, einen starken Ruck. Dass sich gerade eine Katastrophe um ihn herum anbahnt, ahnt er nicht. "Erst als ich den roten Widerschein des Feuers sah und gleichzeitig spürte, wie das Schiff nach hinten wegsackte, wusste ich, dass etwas nicht stimme. Die Nase stellte sich hoch, ich hatte Mühe, Halt zu finden."
Zur gleichen Zeit wird Kabinenjunge Werner Franz, damals 14 Jahre alt, in der Offiziersmesse durch den heftigen Ruck gegen einen Schrank geschleudert. Als er sich wieder aufrappelt, berichtet er später der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", taumelt er auf den Gang hinaus. Das erste, was er sieht, ist eine gigantische Feuerwand, die sich vom Heck her auf ihn zubewegt. Der Zeppelin stellt sich immer weiter in die Senkrechte. Mehrere Wasserfässer kippen um und ergießen ihren Inhalt über den Jungen. So, vermutet er, übersteht er das Inferno. Durch eine Luke zwängt sich Werner Franz nach außen und springt aus einer Höhe von etwa zweieinhalb Metern ab. Er überlebt, einer von 62.

Am Boden beobachtet Radioreporter Herbert Morrison die Katastrophe und schreit entsetzt in sein Mikrofon: "Es ist in Flammen aufgegangen. Oh nein, das ist entsetzlich. Geht doch da weg, bitte. Es brennt, ist in Flammen aufgegangen und auf den Ankermast gestürzt. Und all die Leute, die wir... Das ist eine der schlimmsten Katastrophen der Welt." Mit dem verzweifelten Ausruf "Oh, die Menschheit und all die Passagiere!" wird Morrison in die Geschichte eingehen.
Als die "Hindenburg" um sie herum in Flammen aufgeht, sagt keiner in der Steuergondel ein Wort. "Alle waren fassungslos", berichtet Eduard Boëtius. "Ich stand direkt am offenen Fenster. Hinter mir hörte ich die Stimme eines Kameraden: 'Spring, Eddi!' Aber wir waren noch zu hoch." Boëtius ist klar, dass er sich keinesfalls bei dem Sprung verletzen darf - andernfalls wäre er vermutlich unter den brennenden Trümmern begraben worden. Er wartet. "Als das Bugrad aufprallte, sprang ich. Drei Kameraden kamen direkt hinterher." Auch Boëtius schafft es aus der Flammenhölle.

Bereits in Sicherheit, blickt Boëtius zurück. Im brennenden Passagierbereich sind noch Menschen. Mit einigen Helfern rennt er zurück zum Wrack, steigt durch die zerborstenen Scheiben des Promenadendecks und rettet mehrere Menschen, "eine Instinkthandlung", wie er später sagen wird, keine Heldentat. Auch wenn er für die Rettung eine von Adolf Hitler persönlich unterzeichnete Urkunde bekommt.

Die Ursache für den Absturz ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Unterschiedliche Theorien - Blitzschlag, Sabotage, falsche Beschichtung - stehen im Raum, keine ist zweifelsfrei bewiesen. Der Wasserstoff, so viel scheint kurz nach dem Unglück zunächst festzustehen, ist schuld. Die Alternative, Helium, aber ist in den dreißiger Jahren schwer zu bekommen. Die USA haben das Monopol auf das Edelgas, und Helium ist - wie Wasserstoff - leichter als Luft. Großer Vorteil: Es ist nicht brennbar. Die Amerikaner wollen an Nazi-Deutschland, spätestens nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich im März 1938, kein Helium liefern. Die Giganten der Lüfte sind am Ende.

Hermann Göring, Chef der Luftwaffe und passionierter Flieger, ist als Luftschiff-Skeptiker bekannt - sie seien zu unflexibel, zu langsam und absolut untauglich für den Kriegseinsatz. Als "fliegende Würste" soll er die Zeppeline gern verspottet haben. Im März 1940 beschließt Göring schließlich die Demontage der beiden verbliebenen Zeppeline, LZ 127 und LZ 130, "Graf Zeppelin" und "Graf Zeppelin II". Die Teile werden in Zeiten des Krieges wiederverwertet. "Nee, meine Herren, det is nischt", lautete Görings abschließendes Urteil über die Luftschiffe.

Der "Weltflughafen für Luftschiffe" in Frankfurt am Main wird überflüssig. Auf Görings Geheiß sprengt ein Expertenteam die beiden neuen Hangars in die Luft. Auf den Tag genau drei Jahre nach der Katastrophe von Lakehurst.


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