Dichtung und Wahrheit

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About Micha
[Dichtung]

Einst saß an eines Baches Rand
ein Knab', der Micha ward' genannt.

Er hing die Füße in die Fluten
und tat auf einer Flöte tuten,
und tragen tat er auf dem Haupt
'nen Blumenkranz, der leicht verstaubt.

Und wenn ihn einer fragte eben,
was er denn plante für sein Leben,
erschien in seinem Antlitz immer
ein zartverklärter Freudenschimmer:

"Ja siehst du nicht, ich huldige
hier der Natur. Entschuldige,
hier meinen unverschämten Ton,
doch merkt man wohl von weitem schon:

ich preis' mit der Musik der Flöten
(der Ton, er tat die Nerven töten)
des Wassers Lauf, der Bäume Laub,
des Himmels Blau, der Straßen Staub.

Ich jubilier' von früh bis spät
und sing so laut wie's irgend geht.
Ich unterstütz' der Vögel Lied,
gar blind ein jeder, der's nicht sieht."

Einst kam weither von einem See
herangeschwebt 'ne gute Fee.
Sie störte sich an den Gesängen,
fast dacht' sie dran, ihn aufzuhängen,
jedoch alsbald, da meinte sie:
"Den kriegen wir auch anderswie."

Und mit Geduld und List im Sinn,
da schwebte sie zu Micha hin,
der kämmte grad sein güldnes Haar,
was drauf im Wasser er besah.

Gleich dachte sich die Dame:"Ei!
Fast sieht er aus wie Loreley.
Jedoch, das darf mich nicht berühren,
ich lasse mich hier nicht verführen,
dass ich am End' ihm was erspare --
sonst singt der Kerl hier noch für Jahre."

So tritt sie mit entschloss'nem Sinn
gar hübsch und freudig vor ihn hin.
Und spricht:"Wie ich seit langem höre
bist du der Grund für dies Geröhre!
Jedoch, ich zeig, wie gut ich bin
und gebe deinem Leben Sinn:

Es sei, was selten widerfährt,
ein einz'ger Wunsch dir hier gewährt.
Jedoch, bedenke: Wähle weise,
denn sonst entsteht daraus nur Scheiße."

Gar sehr erstaunt und voller Leid
beäugt der Knabe uns're Maid.
"Ja wie! Ich kann nichts and'res sehnen,
als mich an diesem Bach zu wähnen!
Bei deinen Worten muß ich stutzen,
denn meine Lieder sind von Nutzen!
Und bin nicht lieblich ich und schön
hier so im Grünen anzuseh'n?

Jedoch wenn mir ein Wunsch beschieden,
so wäre ich damit zufrieden
wenn ich nur hätt' ein Megaphon,
dann hört' man mich von weitem schon."

Der Fee wird schwach.
Sie geht zum Bach
und hebt voll Zorn die zarten Hände:
"Sieh, meine Nerven sind am Ende!
Es folgt die Strafe auf dem Fuße --
geh in dich, Knabe! Tue Buße!

Gestrafet wirst du allezeit
mit einer schlimmen Tätigkeit.
Voll Arbeit seien deine Tage,
kein Müßiggang kommt mehr in Frage,
und einkassiert sei deine Flöte,
auf dass nun aus ist das Getröte.

Auch nehm ich dir mit meiner Macht
den Kamm für deine Lockenpracht,
und noch dazu seist du geschlagen
mit einem kleinen, gelben Wagen.

Nun lass mich hier vor allen Dingen
das Urteil auf den Nenner bringen:
Im nächsten Leben sollst auf Erden
zur Strafe du ein Lehrer werden."


[Wahrheit]



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